Erfahrungsbericht von Johann Röhr zum Auslandssemester im Studium Elektrotechnik
"Ein Auslandssemester und ein duales Studium lässt sich nicht vereinbaren? Bei der Stadt Essen geht das! Ich bin Johann Röhr, dualer Student bei der Stadt Essen und mache momentan ein Auslandssemester auf Malta.
Die Planung war relativ aufwendig, da meine Hochschule für den Fachbereich Elektrotechnik keine Infrastruktur im Ausland hat. Ich habe die gesamte Reise alleine geplant und war dementsprechend etwas aufgeregt, als ich am Flughafen auf Malta nach reichlich Verspätung (eigentlich sollte ich um 23 Uhr vor Ort sein, war letztendlich allerdings erst um halb 1 da) ankam. Im Wohnheim angekommen habe ich die ersten Personen kennengelernt, alle spanischer Herkunft. Bis auf zwei Personen sprach niemand englisch, sondern alle nur spanisch. "Das kann ja was werden hier", dachte ich mir und ging extrem erschöpft zu Bett.
Die nächsten zwei Tage nutzte ich, um mir die Umgebung und die Universität anzuschauen, um mich grob zurechtzufinden. Da ich auf Grund der Selbstorganisation nicht als Erasmusstudent, sondern als sogenannter Free Mover auf Malta bin, wurde ich nicht in die Erasmuseinführungsgruppe eingeteilt, sondern in eine Gruppe außereuropäischer Studierender. Die meisten Leute, denen ich in den ersten Tagen begegnete, waren Amerikaner*innen und Kanadier*innen.
Ich war unglaublich gespannt all diese Menschen kennenzulernen, da ich den Austausch mit fremden Personen über ihre Kultur höchst aufregend finde. Ich habe in einem kurzen Zeitraum überdurchschnittlich viele Menschen kennengelernt und stets das gleiche Gespräch geführt: "Wie heißt du? Woher kommst du? Wie alt bist du? Was studierst du?". Das war auf der einen Seite ein wenig ermüdend, auf der anderen Seite konnte ich die Chance nutzen mich auch international zu vernetzen. Ich fand am interessantesten, dass dieser erste Eindruck viele kleine Bilder erzeugt, welche sich zu einem völlig falschen Gesamtbild zusammensetzten. Mit der Zeit lernt man sich dann besser kennen und erkennt wie falsch man meistens liegt. Die Menschen in meinem Wohnheim kommen von überall nach Malta, so trifft man Menschen mit Erfahrungen von jedem Kontinent.
Mit der Zeit stellt sich auch die Routine und der Alltag ein. Die nachher alltäglichen Dinge wie Einkaufen oder Shopping in der Hauptstadt beginnen alle als Abenteuer und als Reise. Wenn sich das gesetzt hat, ist es zwar nicht mehr so aufregend, jedoch ist jeder Tag eine neue Erfahrung, da man diesen in einem sehr eigenen Land verbringt, das ungefähr die Größe und Population von Bremen hat, allerdings auf einer Mittelmeerinsel mit einer autarken Regierung. Die ständige Kommunikation in einer anderen Sprache sorgt immer wieder für lustige Missverständnisse mit Menschen, deren Muttersprache Englisch ist. Ich lerne, neben der Sprache, hauptsächlich mich auf neue Situationen einzustellen und spontan und unvorhergesehen zu handeln. Das kommt auch daher, dass hier Regelungen eher als Hinweise wahrgenommen werden, anstatt als richtige Regeln. Sich an den Stundenplan zu halten ist beispielsweise eher eine Option, als Vorgeschrieben. Ich muss jeden Morgen meine E-Mails checken, da es häufig vorkommt, dass die Vorlesung spontan verlegt wird oder einfach nicht stattfindet. Das war für mich eine sehr neue Erfahrung, da ich es gewohnt bin, dass eine Vorlesung zum gesetzten Zeitpunkt stattfindet. Pläne fürs Wochenende sind schwer zu machen, da man auf Grund dieser Terminverschiebung häufig spontan auf sich ändernde Umstände reagieren muss. Kein Tag fühlt sich wie der vorherige an. Außerdem wache ich auch manchmal auf und vergesse, dass ich nicht in Essen bin.
Ich vermisse im Grunde relativ wenig, da es sehr aufregend ist seinen Tag hier zu gestalten. Ich glaube jedoch, dass mir das zu viel werden würde, wenn es länger gehen würde, da mich diese Unsicherheit, ob etwas stattfindet oder nicht, manchmal in den Wahnsinn treibt. Es mag ein Vorurteil sein, dass die Deutschen Struktur lieben, allerdings ist es angenehm zu wissen, dass man sich auf gewisse Dinge verlassen kann. Auch im Straßenverkehr spiegelt sich das verhalten wieder. Fußgängerüberwege sind eher Dekoration und Verkehrsrichtlinien werden eher als Empfehlung empfunden. Grundsätzlich finde ich das gegensätzlich zum Terminverhalten eher angenehm, da deshalb viel Rücksicht genommen wird, jedoch hat man hier die ein oder andere Nahtoderfahrung in dem Kontext, da hier Linksverkehr herrscht, was man schnell mal nicht im Kopf hat, wenn man die Straße überquert und aus Gewohnheit nach links statt nach rechts schaut.
Die Vorlesungen auf Englisch sind schwieriger als ich erwartet hätte. Anfangs dachte ich: "Ich verstehe Englisch sehr gut, und spreche auch ganz okay Englisch." Vernachlässigt habe ich jedoch, dass ich nicht nur das Fachvokabular nur in Grundzügen beherrsche, sondern auch, dass eine Vorlesung auf Englisch extrem anspruchsvoll ist, da man die gesamte Zeit voll fokussiert sein muss um mitzukommen. Die maltesischen Studierenden vor Ort sind ausländische Studierende gewohnt. Somit haben die meisten Verständnis für unsere Probleme und sind sehr hilfsbereit. Auch die Dozenten versuchen einem jede mögliche Hilfe zukommen zulassen. Die gesamte Struktur der Credit-Point Vergabe ist sehr auf ausländische Studierende ausgelegt, dass möglichst wenig Probleme beim Transfer in die Heimat entstehen.
Ich bin extrem glücklich, dass ich den Mut dazu hatte ein Auslandssemester zu machen, da die hier gewonnenen Erfahrungen sowohl unbezahlbar, als auch absolut unvergesslich sind und ich so viel Mehrwert für mein gesamtes Leben davontragen werde. Ich danke jedem Beteiligten von ganzem Herzen und besonders der Ausbildungsabteilung der Stadt Essen für diese Gelegenheit und die Unterstützung, die mir diese Erfahrung ermöglicht haben."