Erfahrungsbericht von Christina Ostermann zum Auslandssemester im Architekturstudium
"Die Niederlande sind bekannt für innovative Architektur und Städtebau mit einem Fokus auf Nachhaltigkeit. Ein Auslandssemester in Utrecht, der Erasmus Partneruni der Hochschule Bochum, zu machen, war deshalb für mich eine einmalige Gelegenheit, um einen tieferen Einblick in die Nachhaltigkeitskonzepte, Architektur, den Städtebau und die Kultur in den Niederlanden zu bekommen. Im Wintersemester 2022/2023 war es dann endlich soweit und ich konnte mit gepackten Koffern in meine Wahlheimat Utrecht reisen.
Die Stadt Utrecht
Die Stadt beherbergt eine Mischung aus moderner und historischer Architektur. Dadurch und durch die offene, freundliche Art der Niederländer habe ich mich direkt sehr wohl gefühlt. Utrecht ist eine der Hauptknotenpunkte in den Niederlanden und hat mit dem internationalen Bahnhof direkte Anschlüsse an die großen niederländischen Städte, aber zum Beispiel auch ins Ruhrgebiet. Wie auf dem Bild zu sehen ist, wird man bereits vor dem Bahnhof von beeindruckender Architektur empfangen. Hinten links auf dem Bild kann man unter anderem die Stadtverwaltung Utrecht sehen. Unter dem Platz befindet sich das zur Bauzeit größte Fahrradparkhaus der Welt. An das große Dach schließt eine große Shopping Mall an, die einen in Richtung Innenstadt geleitet.
Die Altstadt in Utrecht ist durch Grachten gegliedert. Die Ufer säumen kleine verklinkerte Häuser mit Cafés, Läden und Restaurants im Erdgeschoss. Hier kann man sich gut mit Freunden treffen oder in einem der zahlreichen Läden stöbern. In der Innenstadt ist immer etwas los, vor allem in den Sommermonaten, wenn am unteren Level der Grachten, auf Höhe des Wassers, die Restaurants geöffnet haben. Bei gutem, warmem Wetter werden die Grachten für verschiedene Wasseraktivitäten genutzt. Ein besonderes Highlight in der Innenstadt ist auch der samstags stattfindende Blumenmarkt am Janskerkhof.
Eines der größten Wahrzeichen der Stadt ist der Domturm. 1674 wurde durch einen starken Sturm die Hälfte des zugehörigen Doms zerstört. Doch der zum Glück vom Dom entkoppelt gebaute Domturm blieb wie durch ein Wunder stehen. Zu der Zeit, als ich Utrecht besucht habe, war der Domturm (rechtes Bild) aufgrund von Renovierungsarbeiten zum Stadtjubiläum eingerüstet. Utrecht wurde 2022 900 Jahre alt, was in der Stadt mit verschiedenen Festen gefeiert wurde. Auch wenn die Niederlande unsere direkten Nachbarn sind, unterscheiden sich einige Feierlichkeiten stark. Zum Beispiel wird „Sinterklaas“, was bei uns das Nikolausfest ist, größer gefeiert als Weihnachten.
Das Rietveld-Schröder Haus
Mit dem Fahrrad kann man vom Unicampus innerhalb von 20 Minuten in die Innenstadt fahren. Auf dem Weg kommt man an dem 1924 erbauten Rietveld-Schröder Haus vorbei. Das Haus gehört zum UNESCO Weltkulturerbe und kann besichtigt werden. Es ist ein sehr ikonisches Gebäude der Stilrichtung „de Stijl“. Der Baustil und das bis ins kleineste Detail ausgeklügelte Design, in welchem alles sehr bedacht geplant wurde, haben mich sehr beeindruckt. Ein Besuch des Gebäudes lohnt sich auf jeden Fall. Besonders eindrucksvoll war der Moment, in welchem ich das 1.Obergeschoss besichtigt habe und die Museumsmitarbeiterin die Innenwände weggeklappt und weggeschoben hat, um einen großen Raum zu erschaffen.
Das Studium
Studiert und gewohnt habe ich im Science-Park Utrecht. Der Campus beherbergt verschiedene Universitäten, die Uniklinik, Forschungseinrichtungen und Studierendenwohnheime. Ich habe an der Hogeschool Utrecht (HU), einer University of Applied Science, studiert.
Auf dem Bild zu sehen sind einige der Studentenwohnheime und rechts ein Unigebäude. In dem goldenen Gebäude, habe ich die meiste Zeit meiner Gruppenarbeit verbracht. Mein Studiengang „Smart Sustainable Cities“ war in zwei Hälften aufgeteilt. Wir waren 25 Studierende aus den Niederlanden, Deutschland, Spanien und Schweden. In der ersten Hälfte hatten wir verschiedene Vorlesungen, wo Themen der Nachhaltigkeit, vor allem mit einem Fokus auf soziale Nachhaltigkeit, vorgestellt wurden. Parallel haben wir an der Bahnhofsstation Driebergen-Zeist für die Stadtverwaltung in Zeist (einer kleinen Stadt in der Nähe von Utrecht) einen neuen Stadtteil entworfen. Dafür haben wir in Kleingruppen zu den Themen Mobilität, Wegeleitsysteme, Einfügung in die Umgebung, Carbon negative Gebäude sowie Identität und Stadtmarketing recherchiert. Mit dem erworbenen Hintergrundwissen konnten wir in Fünfergruppen den Stadtteil entwerfen und ihn in einem Bericht und mit verschiedenen Visualisierungen der Stadtverwaltung vorstellen.
Ich habe auch an der „Sustainability Challenge“ der Stadt Utrecht teilgenommen. Jedes Jahr organisiert Utrecht mit den umliegenden Städten und Gemeinden, wie zum Beispiel Amersfoort, eine Challenge zu einem aktuellen Thema. Studierende der Universitäten und Hochschulen und andere Interessierte erarbeiten dann in Teams innerhalb von einer Woche Lösungsansätze für die Städte zu vorher festgelegten und in verschiedene Themen eingeteilten Problemstellungen. Mein Team bestand aus 5 Studierenden. Unsere Aufgabe von der Gemeinde Amersfoort war es, etwas zu entwickeln, womit wir in Planungsausschüssen von Bauherren, Architekt*innen, Mitarbeitern der Stadtverwaltung und Bürgern auch der Natur eine Stimme geben. Unser Projekt sollte aufzeigen, was tatsächlich im Interesse der Natur bei Bauvorhaben ist. Damit soll langfristig erreicht werden, dass umweltgerechter gebaut wird und die benannten Teilnehmenden Umweltbelange nicht ausschließlich nur berücksichtigen, wenn diese mit den eigenen Interessen vereinbar sind. Insgesamt haben in fünf Quartieren jeweils vier Gruppen an zwei verschiedenen Problemstellungen gearbeitet. Die Challenge wurde begleitet von Experten, die mit Workshops Techniken der Ideenfindung vorgestellt haben. Nachdem alle Ideen im Rahmen einer Messe präsentiert wurden und die Gewinner der fünf Quartiere ihre Ideen in einer kurzen Präsentation vorgestellt haben, wurde ein Gewinner ernannt. Meine Gruppe gewann die Challenge. Unsere Idee war es, um uns einer Lösung der Aufgabe anzunähern, zunächst ein Spiel zu entwickeln, welches zu Beginn von Planungsausschüssen kurz in kleineren Gruppen gespielt werden kann, um bei den Teilnehmenden ein Bewusstsein für die Umwelt zu erzeugen. Damit wird erzielt, dass die Berücksichtigung der Umwelt, und der Schutz dieser, in der Sitzung mehr Beachtung bekommt und das Thema präsenter ist.
In der zweiten Hälfte des Semesters haben wir ein neues Projekt bearbeitet. Meistens konnten wir in einem der Räume auf dem Campus arbeiten, mit Blick auf das Imposante Treppenhaus aus dem Foto. In einem Team von sechs Studenten, das aus zwei Spanierinnen, zwei Schweden, einer Niederländerin und mir bestand, haben wir an einem Instrument zur Bewertung des positiven Einflusses von Stadtparks auf die Gesundheit und das Wohlbefinden ihrer Nutzer gearbeitet. Das Instrument war bereits von einer anderen Gruppe entwickelt worden und beinhaltete verschiedene Kombinationen von Methoden zur Bewertung des Einflusses von Parks auf verschiedene Zielgruppen. Wir haben dieses „Park Assessment Tool“ auf den Máximapark in Utrecht angewendet. Damit, und mit zusätzlicher Recherche zu verschiedenen Themen, konnten wir Verbesserungsvorschläge für den Máximapark entwickeln und das Instrument weiterentwickeln. Das Ziel des Projektes ist es, in der Lage zu sein dieses Tool als Planungshilfe zum Entwerfen und zum Verbessern von Stadtparks einzusetzen, damit diese einen sehr positiven Einfluss auf ihre Nutzer haben können. Gerade durch das Zusammenarbeiten mit so vielen internationalen Studenten habe ich viel gelernt.
Leben in Utrecht
Ein Besuch in Utrecht und ein Auslandssemester in den Niederlanden kann ich sehr empfehlen. Ich werde sicher in Zukunft noch oft diese wunderschöne Stadt besuchen. Durch das Auslandssemester konnte ich nicht nur einen Einblick in Architektur, Städtebau, Nachhaltigkeit und Kultur der Niederlande bekommen, sondern auch verschiedene andere Kulturen kennenlernen und mich persönlich weiterentwickeln."