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Umwelt
Natur
20.04.2023
5 Min

Klein, aber oho

Mini-Wald mit großer Wirkung


Was im Großen etwa 200 Jahre zur Entwicklung braucht, entsteht in Essen in kleinerem Format gerade im Schnelldurchlauf: Wald. Durch eine bestimmte Pflanzmethode wächst in 25 bis 30 Jahren ein Mini-Wald, ein sogenannter Tiny Forest. Gleich zwei davon pflanzen die Mitarbeiter*innen von Grün und Gruga mit tatkräftiger Unterstützung aus der Bürgerschaft in Kooperation mit der EABG, Essener Arbeit-Beschäftigungsgesellschaft mbH, im Rahmen des Projekts ESSEN.Neue Wege zum Wasser in diesem Jahr mitten in Essen.

Idee eines japanischen Botanikers

"Das Konzept des Tiny Forest geht auf den japanischen Botaniker Akira Miyawaki zurück", erläuterte Johanna Marks von Grün und Gruga im Rahmen einer Infoveranstaltung im Januar. Dieser entwickelte in den 1970er-Jahren die Idee zu den urbanen Pflanzenoasen. Die Wälder im Miniaturformat sollen in dicht besiedelten Räumen für ein besseres Stadtklima sorgen. Deshalb werden viele heimische Baum- und Straucharten auf engem Raum sehr dicht gepflanzt. So wachsen sie schnell zum Licht und durch Kooperation, Kommunikation und hohe Konkurrenz untereinander entsteht in kurzer Zeit ein stabiles und resilientes Ökosystem.

Kleiner Wald, große Wirkung

Mini-Wälder filtern Schadstoffe ebenso aus der Luft wie CO2, das sie im Boden speichern. So sorgen die grünen Lungen für Frischluft in der Umgebung. Diese kühlen sie an warmen Tagen, denn sie spenden Schatten und verhindern so die Aufheizung benachbarter Flächen. Eine Kühlung angrenzender Gebiete erfolgt auch durch die Verdunstung von Niederschlagswasser, das teilweise bereits in den Baumkronen aufgehalten wird.

Das restliche Regenwasser, das den Waldboden erreicht, kann gerade dort versickern, wo es dringend benötigt wird. Diese Schwammwirkung der Tiny Forests ist insbesondere bei Starkregenereignissen von Vorteil, wenn sie große Niederschlagsmengen aufnehmen und zurückhalten.

Darüber hinaus steigern die kleinen Waldstücke die Aufenthaltsqualität – für Mensch und Tier. Denn neben den Essenerinnen*Essenern sollen Tiny Forests auch Schmetterlingen, Vögeln und allerlei Insekten einen vielfältigen Lebensraum mitten in der Stadt bieten.

Besseres Klima für Bochold

Der erste Essener Mini-Wald steht in Bochold: Auf einem rund 200 Quadratmeter großen Dreiecks-Grundstück im Haus-Berge-Park feiert die Maßnahme zur Klimafolgenanpassung und zur Aufwertung des Stadtquartiers ihre Premiere in Essen. Zunächst wurde am 15. März ein Abschnitt mit größeren Baumarten gepflanzt. Daran beteiligten sich zwei Klassen der Bergmühlenschule, Kinder der Kita St. Maria Rosenkranz und Anwohner*innen.

In insgesamt zwei Zonen wurden einheimische Baumarten unterschiedlicher Wuchshöhe ins Land gebracht: Dazu zählen Sandbirke, Hainbuche, Eiche, Esche und Linde ebenso wie Vogelkirsche, Feldahorn und Mehlbeere. Diese wurden durch zwei weitere Bereiche mit Sträuchern wie Holunder, Weißdorn, Schlehe und Kornelkirsche sowie Obstgehölze wie Wildapfel, Wildbirne und Johannisbeere ergänzt. Insgesamt wurden 975 Gehölze angepflanzt.

Außerdem entstehen vor Ort in den Randbereichen ein Vielschnittrasen sowie ein Blühstreifen mit einer Blumenwiese aus regional angepasstem Saatgut. Zum Schutz der Pflanzen ist der Mini-Wald zunächst eingezäunt. Darüber hinaus finden Bürger*innen am neuen kleinen Wald drei Sitzbänke, die zum Verweilen einladen und Tafeln informieren über das Projekt. Sämtliche Arbeiten sollen bis Ende April fertiggestellt sein.

In zwei bis drei Jahren soll dann im Haus-Berge-Park eine stabile Pflanzenoase entstanden sein, die sich positiv auf das städtische Klima und die Aufenthaltsqualität auswirkt. Die Nachbarschaft ist auch dazu eingeladen, an der Pflege des Bocholder Mini-Walds mitzuwirken: So können die Bürger*innen im Sommer beim Gießen unterstützen, Unkraut jäten, die Strohschicht ausbessern oder darauf achten, ob Müll in dem Areal liegt, den es zu entfernen gilt. Das Interesse ist groß: Vertreter*innen aus der benachbarten Bergmühlenschule, dem Haus-Berge-Seniorenzentrum und dem Stadtteil wollen sich an der Pflege des Tiny Forests beteiligen.

Es grünt so grün… in Stoppenberg

Ein weiterer kleiner Wald ist an der Kapitelwiese in Essen-Stoppenberg entstanden. Auf einer Fläche von etwa 500 Quadratmetern wurden über 1.050 Gehölze gepflanzt – ebenfalls allesamt heimische Arten wie im Bocholder Mini-Wald. Auch der Stoppenberger Mini-Wald hat zunächst zum Schutz einen Zaun erhalten, der zu einem ungehinderten Wachstum beitragen soll. In Kürze wird zudem noch Vielschnittrasen eingesät. Staudenbeete sind bereits im Umfeld vorhanden. Bis Ende April sollen auch an diesem Standort sämtliche Arbeiten abgeschlossen sein, sodass der kleine Wald in wenigen Jahren heranwachsen kann, um eine positive Wirkung auf seine Umgebung zu entfalten.

Neuer Wald im Westen

Unweit der dicht besiedelten Essener Innenstadt entsteht bis Ende April eine weitere grüne Lunge, die zwar kein Tiny Forest ist, aber genauso mit Artenvielfalt überzeugt: Im Krupp-Park Süd in Altendorf werden derzeit auf 5,5 Hektar Fläche insgesamt 11.500 Bäume gepflanzt. Zu den 14 verschiedenen heimischen und klimaangepassten Baumarten zählen unter anderem Linde, Ahorn, Vogelkirsche, Birke, Hainbuche, Walnuss und Eiche. Auch 7.000 Sträucher in 15 Arten sowie 1.500 Stauden und Gräser werden gepflanzt.

Die schon aus dem Krupp-Park Nord bekannten gliedernden Vegetationsstrukturen in Form von Baumreihen aus Säulen-Eichen setzen sich künftig im südlichen Teil fort. Zudem begleiten blütenreiche Mähwiesen die Wege in der Parkanlage.

Für eine grünere Zukunft

Tiny Forests wie in Essen gibt es bereits in Städten weltweit. Da es bisher jedoch noch keine belastbaren Daten gibt, ob sie gegenüber der Pflanzung von Einzelbäumen und der natürlichen Habitatentwicklung entscheidende Vorteile bieten, möchte die Stadt Essen im Rahmen des Beschäftigungsprogramms "ESSEN.Neue Wege zum Wasser" gemeinsam mit Partnerinnen*Partnern Pionierarbeit leisten: Mit dabei sind die Zukunftsinitiative der Emschergenossenschaft "KlimaWerk" und weitere Ruhrgebiets-Kommunen, die vergleichbare Tiny Forest-Standorte entwickeln und Erfahrungen austauschen.

Die Fakultät für Raumplanung der Technischen Universität Dortmund begleitet dieses Projekt im Rahmen einer Masterarbeit wissenschaftlich. Sie möchte die entstehenden Mini-Wälder unter dem Aspekt von partizipativen Bürgerbeteiligungen und dauerhafter Betreuungen durch Bürgerinitiativen und Verbände untersuchen. Auch eine Kooperation mit der Universität Duisburg-Essen ist beabsichtigt: Sie will untersuchen, wie sich die Pflanzung von Tiny-Forest-Flächen auf die Bodenverhältnisse auswirkt.

In Zukunft sollen die Tiny Forests auch Orte der Umweltbildung und Begegnung sein – ganz im Sinne ihres japanischen Vordenkers.

Essener Wälder

In Essen gibt es etwa 3.500 Hektar Wald, also rund 59 Quadratmeter pro Einwohner*in. Ungefähr die Hälfte davon liegt im städtischen Bereich auf über 800 Einzelflächen.

Hier mehr über Essens Wälder erfahren, Antworten auf häufig gestellte Fragen erhalten und Tipps sowie Hinweise für den nächsten Besuch in Essens grünen Lungen lesen.


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