Superman ist wahrscheinlich der berühmteste Mann der Welt. Er ist der erste Comic-Superheld, eine kulturelle Ikone und Archetyp für alle, die nach ihm kamen. Die Figur wurde von Jerry Siegel und Joe Shuster geschaffen, Söhne jüdischer Einwanderer aus Litauen und den Niederlanden. Sie konstruierten Superman als einen Flüchtling mit dem hebräisch inspirierten Namen Kal-El, der einer sterbenden Welt entkam und während des Zweiten Weltkriegs gegen die Nazis kämpfte. Die Comic-Branche wurde in ihrer »goldenen Zeit« ab den 1930er Jahren stark von jüdischen Einwanderern, Geflüchteten und deren Kindern geprägt. Ihre Erfahrungen und Werte flossen in die Geschichten und Persönlichkeiten der Charaktere mit ein.
In den 1960er Jahren wurden viele Marvel-Figuren und große Charaktere der Comicgeschichte (wie z.B. Benjamin Grimm der Fantastic Four #1, Hulk oder X-Men) zu einer Metapher für jüdische Menschen und andere Minderheiten, die aufgrund ihrer Hautfarbe, Weltanschauung oder ethnischen Herkunft diskriminiert wurden.
Mitte der 1980er Jahre erlebte die Comic-Erzählung in Romanlänge, auch »Graphic Novel« genannt, ihren ersten großen Aufschwung. Dieser war zum Teil Art Spiegelmans bahnbrechendem Werk Maus zu verdanken. Das Buch, das in Form eines Comics die Erlebnisse von Spiegelmans Vater während des Holocaust schildert, enthält auch eine Rahmenhandlung über die gestörte Beziehung zwischen Spiegelman und seinem Vater in der Gegenwart. Der vielleicht faszinierendste Aspekt von Maus ist, dass die Figuren des Buches als Tiere gezeichnet sind: Juden sind Mäuse, Deutsche sind Katzen.
Seitdem bereichern Comics und Graphic Novels zu jüdischen Themen den kulturellen Kanon, helfen bei der Vermittlung von Geschichte und Politik und sind längst nicht mehr nur die beliebteste Literaturform von Kindern und Teenagern. Sie bilden heute eine wichtige Brücke der Verständigung in kontemporärer Form. Doch immer noch erscheinen die meisten Publikationen zum Thema in den USA oder Israel. Der europäische Buchmarkt und speziell der deutsche haben sich nur zögerlich dem Medium geöffnet und viele der hier erscheinenden Ausgaben sind Übersetzungen aus dem Englischen, Hebräischen oder Französischen.
Zeit also, dass wir das Thema bei den Jüdischen Literaturtagen Essen platzieren, und mit Ihnen entdecken, welche spannenden Publikationen in jüngster Zeit erschienen sind und welche kreativen Formen Künstlerinnen und Künstler heute finden, um jüdische Erfahrung zu vermitteln.
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Dr. Diana Matut